Ab 2019 soll es in Frankreich einen verpflichtenden „Nationaldienst“ für alle Jugendlichen einer bestimmten Altersgruppe geben. Wie genau der Dienst aussehen wird, ist jedoch weiterhin unklar.
Wenn Angela Merkel in Deutschland für alle Jugendlichen ab 18 Jahren einen verpflichtenden „Nationaldienst“ einführen wollte, würde das sicher für viel Aufregung sorgen. Auch in Frankreich ist das nicht anders. Mit dem bedeutenden Unterschied, dass Staatspräsident Emmanuel Macron tatsächlich einen sogenannten „service national universel“ (SNU) plant. Bereits im Präsidentschaftswahlkampf, im März 2017, beschrieb Macron seine Idee. Seiner damaligen Vorstellung nach sollte der Nationaldienst einen Monat lang dauern und für alle jungen Franzosen und Französinnen ab 18 Jahren gleichermaßen gelten. Vom Militär getragen, sollte das Projekt vor allem für eine stärkere Bindung zwischen Armee und Gesellschaft sorgen..
Dazu ist wichtig zu wissen: Die allgemeine Wehrpflicht wurde in Frankreich schon 1997 unter Jacques Chirac abgeschafft. Macrons Vorstoß sorgte daher für viel Diskussionsstoff. Die Armee beklagte anfangs, dass der Aufwand und die Kosten des Projekts zu hoch seien. Anderen gefiel der verpflichtende Charakter des geplanten Nationaldienstes nicht. Auch war niemandem so richtig klar, wie genau dieser Dienst aussehen sollte.
Nationaldienst wird eingeführt
Das hat sich bis heute nicht geändert. Aber allen Unklarheiten zum Trotz soll der „service national universel“ bereits zum 1. Januar 2019 eingeführt werden. Das zumindest sagt der Vorsitzende der Kommission für Armee und Verteidigung im französischen Parlament, Jean-Jacques Bridey, nun im Gespräch mit bonjournalist.eu: „Der ,service national universel’ ist ein wichtiges Projekt für die Jugend und für die Gesellschaft zugleich“. Mit Macrons ursprünglichen Plänen wird der SNU vermutlich aber nicht mehr viel gemein haben. Zwei Abgeordnete des Verteidigungsausschusses, Marianne Dubois (Les Républicains) und Émilie Guerel (La République en Marche), haben in einem Fachbericht zwar drei mögliche Szenarien entworfen, wie dieser eine Monat „service national universel“ in Zukunft aussehen könnte. Letztendlich empfehlen sie in dem Bericht aber doch ein ganz anderes Modell. Demnach soll es schon in der Schulzeit zweimal eine verpflichtende Woche für alle Schüler geben, in denen diese über Verteidigungsfragen, Bürgerrechte und Bürgerpflichten informiert werden. Und sie sollen lernen, welche Möglichkeiten des militärischen sowie zivilen Engagements existieren. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit diesen Themen soll die Schüler dazu motivieren, sich auch nach der Schulzeit freiwillig sozial zu engagieren. Bridey zufolge könnte der SNU also eine Maßnahme sein, um den sozialen Zusammenhalt des Landes zu fördern und die Bedeutung gesellschaftlichen Engagements wieder aufzuwerten.
Mehr Anerkennung für gesellschaftliches Engagement nötig
Dass ehrenamtliches Engagement gesellschaftlich mehr anerkannt werden muss, fordert auch Marion Chretien. Sie arbeitet für Afev, einen Verein, der Freiwillige an Hilfesuchende vermittelt. Im Team des Vereins arbeiten auch Jugendliche, die dort ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) ableisten. Diese Form des Engagements scheint aber nicht von allen geschätzt zu sein: „Eine Pause einzulegen, um sich zu engagieren, wird von der Gesellschaft immer noch als Risiko gesehen, aufgrund dessen man später vielleicht von der Universität abgelehnt wird“. Teilweise werde ein FSJ auch als eine Art nicht ernstzunehmendes Urlaubssemester gesehen.
Gesellschaftliche Probleme in Frankreich brauchen andere Lösungen
Den Journalisten und Militärexperten Jean Guisnel interessiert vielmehr der gesellschaftliche Kontext, in dem Macron den Nationaldienst ins Leben rufen will: „Wir befinden uns in einer geteilten französischen Gesellschaft, durch die tiefe Risse verlaufen – sozial und politisch gesehen. In einer Gesellschaft, in der es ausgeprägte Ungleichheiten und für Jugendliche teils schlechte Zukunftsaussichten gibt – je nachdem, in welchem Milieu sie groß geworden sind“. Guisnel zufolge ist Macrons Vorhaben zwar ehrenwert, aber der „service national universel“ allein wird den nationalen Zusammenhalt nicht wiederherstellen. Es dürfe nicht vergessen werden, dass dafür vor allem die bestehenden Probleme gelöst werden müssen.
Chloé Ligneau, derzeit in einer Vorbereitungsklasse für die französische Eliteschule „Grande école“, befürwortet die Idee eines „service national universel“ – sofern dieser zivilgesellschaftliche statt militärischer Inhalte vermittelt. Insbesondere Jugendliche, die sich sonst nicht mit politischen Fragen auseinandersetzen, könnten in diesem Programm etwas über ihr Heimatland und die Grundsätze des Staates lernen. Es sei aber nicht nötig, die Jugend zusätzlich zu militarisieren.
Ingenieurstudentin Dorine Deguyenne hingegen fände aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen gerade die militärische Komponente des Nationaldienstes gut. Ein Jahr ihrer Schulzeit hat sie auf einem militärischen Internat verbracht, wo sie neben dem Unterricht auch an militärischen Übungen teilgenommen hat. Sie ist davon überzeugt, dass die militärischen Werte sehr wichtig für die Entwicklung einer Person sind: „Es ist zwar nicht die Aufgabe der Armee, Jugendliche auszubilden, aber das Militär hätte die Mittel, es zu tun“.