Nach der Vorlesung ein Unternehmen managen? Unter Studierenden ist das eher die Ausnahme. Zwei Studentinnen der Universität Paris-Dauphine erzählen, warum sie beides unter einen Hut bekommen möchten.
Für die Karriere in der Wirtschaft gibt es in Frankreich genau einen Königsweg: zuerst das Baccalauréat (Abitur), dann ein Studium mit Masterabschluss und anschließend der Berufseinstieg im Großunternehmen. Die Pariser Studentinnen Camille Desclée und Gabrielle de Valmont sind von dieser klassischen Laufbahn abgewichen und haben trotzdem Erfolg. Schon während des Studiums gründeten sie das Start-up „Nap&Up“.
Fit für die Arbeit
Geld verdienen im Schlaf? Ihr Ziel ist, die Akzeptanz für das nachmittägliche Nickerchen im Berufsalltag zu stärken. Dazu haben die beiden 23-Jährigen eine Art Schlafnest entwickelt. 20 Minuten Entspannung sollen helfen, nach dem Mittagstief wieder energiegeladen weiterzuarbeiten. Auch mit Vorträgen wollen sie auf die Wichtigkeit von ausreichendem Schlaf und regelmäßigen Ruhepausen aufmerksam machen.
„Im Hörsaal Bekommst du nichts von der Berufswelt mit“
Gabrielle de Valmont
Ihre zusätzliche Tätigkeit bei „Nap&Up“ sieht Gabrielle de Valmont schon nach eineinhalb Jahren als großen Mehrwert: „Du bekommst nichts von der Berufswelt mit, wenn du nur im Hörsaal studierst.“ Das Abschlusspraktikum kann die Masterstudentin nun im eigenen Unternehmen absolvieren. „Ein Start-up zu gründen war das Beste an meiner akademischen Ausbildung im Management-Bereich.“
Gründerzentren wie das „Maison des Initiatives Etudiantes“ (MIE) in Paris fördern Start-up-Gründungen noch während der Studienzeit. Um finanzielle wie materielle Hürden zu minimieren, erhalten Studierende dort Zugang zu Arbeitsmaterialien, Technik und Räumlichkeiten. Insbesondere der „Statut national étudiant-entrepreneur“ (siehe Info-Kasten) soll jungen Unternehmern Ängste und Sorgen nehmen.
Keine Nebentätigkeit
Gerade zu Beginn fühlten sich Camille und Gabrielle überfordert. Viertes Uni-Jahr, nur geringer Umsatz und langsame Fortschritte – die Zukunft schien unsicher. „An einem Punkt mussten wir uns fragen, ob wir das Studium besser schmeißen“, sagt Gabrielle. Ihr kam es wie ein Doppelleben vor: „Wir standen kurz vor dem Burn-out.“ Mittlerweile bewege sich viel, aber an der Universität seien solche Projekte noch nicht die Regel.
Damit Fälle wie „Nap&Up“ keine Ausnahme bleiben, müssten jedoch noch einige Steine ins Rollen gebracht werden. „Camille kämpfte auf Eigeninitiative dafür, die Betriebslehre in ihrer eigenen Firma machen zu dürfen“, weiß Estelle Basquin. An der Universität Paris-Dauphine ist sie für das Gründerprogramm verantwortlich. „Sie hatte Glück, dass ihre Direktorin sie verstand.“ Förmliche Vereinbarungen gab es nicht.
Der Mehraufwand wird den beiden Gründerinnen weder als Wahlkurs gewertet, noch erhalten sie eine Note. Laut Estelle Basquin soll sich das in ein bis zwei Jahren ändern: „Erhalten Studierende durch diese Investition Credits, verbessern wir die unternehmerische Tätigkeit im Rahmen ihrer Ausbildung.“ Zur Umsetzung bräuchten Hochschulen und Universitäten dennoch etwas Zeit.
Eng gestricktes Lehrsystem
Ohne offiziellen Bildungsabschluss ist es in Frankreich oft schwierig, über die Runden zu kommen. In ihrem Umfeld kennen Camille und Gabrielle niemanden, der seine Hochschullaufbahn für ein Unternehmen vorzeitig beenden würde. Hinzu käme der Druck von Freunden und Familie. Deshalb versuchten sie, Unternehmen und Studium miteinander zu vereinbaren. „Das ist unser Glück und eine tolle Sache“, freut sich Camille Desclée.
Seit der Gründung von „Nap&Up“ Ende 2016 habe sich viel getan: „Wir haben unsere Managementkompetenzen verbessert und uns eine strukturierte Arbeitsweise angeeignet“, ist Camille überzeugt. Auch Basquin wünscht Studierenden, während des Curriculums einen Schritt weiter zu denken: „Wir können uns oft schwer von theoretischen Ansätzen lösen, da wir gewohntermaßen auf Noten und Diplome hinarbeiten.“
„Wir sind GEwohnt, auf Noten und Abschlüsse hinzuarbeiten“
Estelle Basquin
Obwohl Start-up-Gründungen derzeit im Trend sind, sollten Innovation und Unternehmertum kein Zwang werden: „Um eine eigene Firma aufzubauen, braucht es viel Zeit und Engagement“, betont Estelle Basquin. Gabrielle de Valmont sieht es ähnlich: „Nicht jeder will ein eigenes Unternehmen verantworten.“ Nichtsdestotrotz hätten immer mehr Studierende Lust, über ihr Curriculum hinauszublicken.
Als studentische Unternehmerin findet Gabrielle de Valmont, Institutionen müssten sich dafür öffnen, dass die klassische Laufbahn individuell gestaltet werden kann. Innerhalb des Studienverlaufplans sollten sie mehr Freiräume für persönliche Interessen und neue Ideen schaffen.Sie und ihre „Nap&Up“-Mitgründerin Camille Desclée sind sich einig: „Es braucht ein Umdenken.“